Still, still, still...

von Anna Gamma (Kommentare: 0)

So fängt ein Weihnachtslied an, das mir noch aus Kindheitstagen lieb und vertraut ist. Gerade in der Vorweihnachtszeit lassen wir uns von der Hektik gerne mitreissen und Stille und Besinnlichkeit, nach denen wir uns sehnen, gehen unter. Das geht nicht nur uns Erwachsenen so. Auch Kinder sind davon betroffen. Da ist die freudige Spannung und die Frage, was wohl unter dem Weihnachtsbaum liegen wird. Eltern, Grosseltern, Patentante und Patenonkel wollen mit einem vielleicht selbstgebastelten Geschenk bedacht sein. Das Krippenspiel muss geprobt werden. Der Lichterzauber in der Stadt zieht in Bann. Und die unausweichliche Frage: wann kommt endlich der ersehnte Schnee? 

Es geht aber auch anders: In diesem Jahr haben insgesamt rund achtzig Kinder und Jugendliche aus Hergiswil zumindest einen Kontrapunkt in die gewohnte Vorweihnachtshektik gesetzt. Gemeinsam mit ihrer Religionslehrerin und ihren jeweiligen Klassenlehrerinnen haben sie das Zen Zentrum besucht. An vier Vormittagen in der Adventszeit hat jeweils eine Klasse mit uns und wir mit ihnen, Wege der Achtsamkeit bis hin zum Sitzen in Stille geübt. Die Kinder begegneten diesem ungewohnten Unterricht auf je eigene Art. „Ich erwarte, dass es sehr still sein wird. Ich denke, wir werden lernen, uns zu konzentrieren. Es wird sicher anders sein, als sonst in der Schule. Ich finde es gut, dass wir nicht normal Schule haben. Ich habe keine spezielle Erwartung.“ So die Aussagen von Schülern und Schülerinnen auf die Frage, was sie erwarten würden. 

In gut zweieinhalb Stunden haben wir jeweils die Aufmerksamkeit für unsere Sinne geschärft. „Ich bin mit der Aufmerksamkeit ganz bei der Bewegung meines Fusses, der sich mit der Ein- und Ausatmung hebt und senkt. Ich lausche dem Klang der Klangschale bis er ganz verstummt ist. Ich esse eine Mandarine mit all meinen Sinnen.“ Schliesslich haben wir „natürlich“ das Sitzen in Versunkenheit geübt. In aufrechter Haltung auf einem Sitzkissen zu sitzen, an die Wand bzw. auf den Boden vor sich zu schauen und dabei hellwach und mit der Konzentration beim Atem zu bleiben, mag auf den ersten Blick für Kinder eine schier unüberwindbare Herausforderung zu sein. Tatsächlich können sich die Kinder und Jugendlichen aber auf das Experiment einlassen. Es berührt mich immer wieder von neuem, wie gross dann die Stille werden kann. Dabei machen die Kinder ähnliche Erfahrungen wie wir Erwachsenen: die Gedanken bleiben doch wieder irgendwo hängen. Die Beine fangen an zu schmerzen. Plötzlich überkommt einen grosse Müdigkeit und die Augen wollen zufallen. Die vermeintlich aufrechte Haltung gleicht irgendwann wieder einer Banane.

Aber die Kinder berichten auch dies: „Es ist schön, die Stille zu hören. Es wird mit der Zeit einfacher. Meine Sitznachbarn haben mir geholfen, dabei zu bleiben.“ Und Ähnliches.

Besonders bewegend finde ich es jeweils, wenn in einer zehnminütigen Sitzeinheit zwischendurch Unruhe in die Gruppe kommt, und sie sich dann wieder „auffängt“, die Schüler sich gegenseitig mit ihrer Präsenz unterstützen und die Stille danach noch grösser erscheint. 

Ich bin sicher und wünsche uns und diesen jungen Menschen, dass das Geschenk der Stille, das sie sich und uns an diesen Vormittagen gemacht haben, immer wieder auftaucht, wenn es mal irgendwo in einem Schrank zu verstauben droht.

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