Übergänge

von Maria-Christina Eggers (Kommentare: 1)

An diesem Morgen sitzen wir zum letzten Mal im Freien in der Stille der Wüste, erleben den Übergang von der Nacht in den Tag, den sanften Wind, die zarten Farben, die dem Sonnenaufgang voraus gehen. Dann geht alles ganz schnell. Frühstücken, packen, der Bus holt uns ab, um uns nach Jerusalem zu bringen. Zurück in die Stadt. In DIE Stadt.

Unser erster Gang führt uns auf den Berg Moriah, den Tempelberg. Für Nicht-Moslems ist von den 9 Zugängen nur einer erlaubt. Wer da durch will, muss sich einer gründlichen Sicherheitskontrolle unterziehen. Dann stehen wir auf dem lichtvollen Platz, der den drei abrahamitischen Religionen heilig ist. Vor uns der Felsendom mit der goldenen Kuppel in blendender Schönheit. Kaum fassbar, dass dieses Wunderwerk bereits im Jahr 691 eingeweiht wurde und heute das älteste noch in Gebrauch befindliche islamische Heiligtum der Welt ist. Vis-a-vis die al-Aqsa-Moschee, auch sie in ausgesuchter Schönheit. Hell und heiter wirkt dieser grosse Bereich, mit seinen Rasenflächen und den uralten Schatten spendenden Ölbäumen. Frauen sitzen in kleinen Gruppen beieinander, lachen, tauschen sich aus. Familien flanieren, Männer lesen in heiligen Schriften. Friedlich ist es hier, in diesem Moment. Eine paradiesische Stimmung. Dabei heisst es gerade von diesem Ort, er sei „der Brennpunkt, an dem sich das „Pulverfass Nahost““ stets entzünden kann (Gil Yaron, Jerusalem). Eine Stunde dürfen wir uns als nicht muslimische Besucherinnen hier aufhalten.

Weiter geht unser Weg mit dem öffentlichen arabischen Bus nach Bethlehem. Dort besuchen wir Sami Awad, einen christlichen Palästinenser, der den „Holy Land Trust“ gegründet hat und mit zehn Mitarbeitenden führt. Im Zentrum steht das Erlernen der Gewaltlosigkeit, des gewaltfreien Widerstandes. Sami berichtet uns eindrücklich von seinem inneren und äusseren Weg. Als eines der grössten Hindernisse zum Frieden zwischen den Völkern hat er die Angst erkannt. Friedensschritte, so sagt er, wurden meistens, wenn überhaupt, aus Furcht getan. Das ist für ihn eine entwürdigende Motivation. Furcht und Hass abzubauen, ist sein Zugang zum Frieden. Dafür lässt er sich auch auf Menschen ein, die eine extreme gegnerische Position vertreten. Und er entwickelt Instrumente, im Gruppenprozess solche Haltungen zu transformieren.

Wir sind in Bethlehem. Es gibt kaum Touristen. Die Menschen sind arm, und sie sind hinter der Mauer gefangen, die den Israeli Sicherheit geben soll. Mauer gegen die Angst. Auf dem Rückweg durchqueren wir einen Checkpoint, der wie ein überdimensionaler metallener Sarg wirkt, verwirrend, einschüchternd, Furcht erregend.

Dann ein gutes Nachtessen in einem arabischen Restaurant, vor dem Damaskustor von Jerusalem. Es war ein Tag voller Gegensätze. Die feierliche Stille der Wüste. Das heitere Paradies auf dem Tempelberg. Der entmenschlichte Checkpoint. Die Menschen in Bethlehem, mit ihrer Stadt eingemauert. Die Armut. Auch von Würde hat Sami Awad heute gesprochen, als etwas, das für die Menschen hier zum Allerwichtigsten gehört. Im Herzen und mit Worten würdigen wir, was unsere Augen heute gesehen, unsere Ohren gehört, unsere Herzen und Sinne aufgenommen haben.

Alle Artikel anzeigen

Kommentare

Kommentar von Elisabeth Weiss |

Welch schönes Bild und welch - ein zum Teil bedrückender Bericht. Ich erinnere mich, dass ich vor bald 40 Jahren in Jsrael weilte und schon da die Angst ein Thema war. ..
Ein gutes Zurückkommen wünsche ich euch. Und danke auch für die wunderbaren Wüstenbilder!

Einen Kommentar schreiben

Bitte rechnen Sie 5 plus 5.